Die Zukunft der Mobilität

Moderne Gesellschaften sind mobile Gesellschaften. Verkehr ist zentrale Voraussetzung für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems – ja, sogar unserer Gesellschaft. Verkehr sichert die Versorgung der Menschen, ermöglicht Handel über die regionalen Grenzen hinaus und ermöglicht außerdem ortsgebundene Arbeit durch Fachkräfte. Heute dominiert der Verbrennungsmotor den Individualverkehr, doch das war längst nicht immer so:

Um das Jahr 1900 konkurrierten noch 3 Antriebssysteme nahezu auf Augenhöhe. Dampf, Benzin und Elektroantrieb. Das damals bereits verlässliche Elektroauto wurde jedoch als Frauenauto stigmatisiert, hat sich somit auch aus soziokulturellen Aspekten heraus nicht durchgesetzt.

Heute wird aus ökologischer Perspektive eine gegenteilige Entwicklung angestrebt. Durch etablierte Märkte und Strukturen im Verkehrssektor, die primär auf konventionelle Verbrennungsmotoren ausgerichtet sind, sind die erforderlichen Anstrengungen jedoch kaum vergleichbar. Wenn die Verkehrswende politisches Ziel ist, so haben die politischen Akteure daher primär die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen und den Wandel durch geeignete Maßnahmen zu forcieren. Ein übergreifendes verkehrspolitisches Konzept sind die verantwortlichen Stellen jedoch stets schuldig geblieben. Stattdessen setzte die Politik auf einzelne Pilotprojekte und Quotenregelungen.

Elektroautos in Deutschland

Die Automobilindustrie in Deutschland nimmt seit dem ersten Elektro-Hype um 1990 herum in Sachen Elektroautos eine auffallend passiv-abwartende Position ein. Innovationen in der e-Mobilität wurden wenn überhaupt nur zögernd angegangen und beschränkten sich auf den Austausch des Motors bei gleicher Karosserie – also letztlich auf Umrüstungen existierender Modelle, was aus mehreren Gründen nicht zielführend ist. Die Kontroverse um das Elektroauto und das Innovationsfeld Verkehr offenbaren sich als eine Arena, in der unterschiedliche soziale Akteure um politische Deutungsmacht kämpfen.

Wegen der begrenzten Reichweite bot sich das Elektrofahrzeug in den vergangenen Jahrzehnten gleichsam nicht als vollwertiger Ersatz für die Benziner an. Das trifft mit gewissen Einschränkungen auch auf die Brennstoffzelle zu, die letztlich auch eine Oxidation (von Wasserstoff oder Methanol bei niedrigeren Temperaturen) ist, zu: Während ein 40-Tonner mit konventionellem Antrieb eine Reichweite von ca. 2.500 Kilometern hat, müsste ein heutiger Brennstoffzellen-Lkw mit gleichem Tankvolumen bereits nach 300 bis 400 Kilometern nachtanken.

Mobilität und Verkehr im historischen Kontext

Der Fokus verkehrspolitischer Überlegungen hat sich in den letzten 2000 Jahren immer wieder verschoben: Anfangs sorgten militärische Überlegungen für Innovationen im Verkehrssektor – siehe römisches Reich. Über gepflasterte Straßen war die Verlegung von Soldaten schneller möglich. Später war es dann die Eisenbahn, die den Transport gewaltiger Truppen in kürzester Zeit realisieren konnte. Zum Glück wurde dann die wirtschaftliche Entwicklung Triebfeder der Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur. Heute rücken ökologische Facetten des Verkehrssektors immer mehr in den Mittelpunkt.

Die ökologische Perspektive offenbart: Verkehr ist der einzige Wirtschaftszweig, in dem die CO²-Emissionen noch ansteigen. In den anderen großen Sektoren (Privathaushalte, Energie, Industrie, Landwirtschaft) sinken die Emissionen oder stagnieren zumindest.

Verkehr und das Pariser Klimaschutzabkommen

Die nachhaltigen Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens bedingen eine Einsparung von CO2. Dies wird auch für den Verkehrssektor unumgänglich sein, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dabei können zwei Ansätze unterschieden werden:

  1. Technische Innovationen mit dem Ziel der Steigerung von Effizienz und Effektivität im Verkehrssystem, wie beispielsweise die Entwicklung sparsamer Motoren oder der Einsatz wiederverwendbarer Rohstoffe und
  2. soziale Innovationen – also Verhaltensänderungen der Individuen einer Gesellschaft, die dazu beitragen, dass weniger Verkehr entsteht.

Konsens ist heute – zumindest in weiten Teilen Europas, dass bis 2035 der Ausstoß von CO² substanziell gesenkt werden muss, um das Klimaziel zu erreichen. Das Klimaziel ist, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Die Auswirkung einer Erwärmung über 2 Grad hinaus hätten mithin katastrophale Folgen in Bezug auf den Anstieg des Meeresspiegels und weiterer kritischer Faktoren. 2035 stellt mithin den Point of no return für das 2° Klimaziel dar, dass zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% eingehalten werden kann. Wollen wir hingegen eine Sicherheit von 95% erreichen, so muss die substanzielle Reduktion von CO² Ausstoß bereits bis 2022 erfolgen. Die Zusammenfassung einer Oxford-Studie hierzu finden Sie hier.

Effizienzgewinne in der Antriebstechnik werden derzeit allerdings überkompensiert durch mehr Verkehr, weitere Strecken, größere Autos. Neben technischen Innovationen sind daher soziale Innovationen im Sinne von Verhaltensänderungen notwendig. Dazu zählen auch der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, der leider aktuell nicht spürbar auf der politischen Agenda steht.

Der öffentliche Nahverkehr steht nicht auf der politischen Agenda.

Die Situation in Deutschland

Deutschland ist jedoch nach wie vor Autoland. Das wurde kürzlich in der Debatte rund um das Tempolimit nochmals deutlich. Das Auto gilt seit seiner Erfindung als der Inbegriff von Freiheit und Unabhängigkeit. Jeder Versuch, die Vormachtsstellung des Verbrennungsmotors zu brechen, stößt auf erbitterten Widerstand der Traditionalisten um die CDU. Das ist zum Teil verständlich, wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß die deutsche Wirtschaft von der Automobilindustrie im Allgemeinen und dem Verbrennungsmotor im speziellen abhängig ist. Mithin ist die Anschaffung und Nutzung eines Autos in vielerlei Hinsicht völlig irrational. Eine aufschlussreiche Untersuchung wurde kürzlich von der Ellen Mac Arthur Stiftung vorgenommen. Ein paar Kernbotschaften der Untersuchung lauten wie folgt:

  • Das durchschnittliche Auto in Europa ist 92% der Zeit ungenutzt (geparkt) und
  • hat fünf Sitzplätze, von denen nur 1,5 je Fahrt genutzt werden
  • Die Infrastruktur (Straßen, Parkraum, Tankstellen) nehmen 50% der Fläche einer Stadt ein.
  • Die Straßen sind gleichsam nur zu 5% der Zeit voll ausgelastet – wobei sie dann trotzdem nur zu 10% von Autos bedeckt sind.
  • In Europa kommt es jährlich zu ca. 30.000 Todesfällen und 4x so vielen Schwerverletzten im Straßenverkehr.
  • Dabei ist die Unfallursache zu 95% in menschlichem Versagen zu finden.

Steuerung der Verkehrswende

Zur Durchsetzung innovativer Antriebstechnologien sind neben politischem Willen weitere Kriterien entscheidend:

  • Infrastruktur und Fahrzeuge müssen zu akzeptablen Kosten zur Verfügung stehen – hier ist auch eine politische Steuerung über Subventionen, Steuervergünstigungen und ordungspolitische Regelungen gefragt.
  • Die Energiedichte des zugrunde liegenden Speichermediums muss dem Fahrzeug ausreichend Energie zur Verfügung stellen. Hier hat das Elektroauto noch Schwächen, da die Energiedichte der Batterien noch keine Strecken erlaubt, die an die Reichweite konventioneller Verbrennungsmotoren heranreicht.
  • Der Wirkungsgrad der Antriebstechnologie muss in der Lage sein, die mitgeführte Energie bestmöglich auszunutzen. Hier ist das Elektroauto allen anderen Antriebstechnologien mit 70% Wirkungsgrad deutlich überlegen.

Fazit zur Mobilität in Deutschland und Europa

Unstrittig ist, dass eine Verkehrswende aus rationalen Gründen notwendig ist, um einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu erreichen. Der politische und gesellschaftliche Wille hierzu fehlt aber an vielen Stellen.

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