Wissensgesellschaft und Aufmerksamkeitsökonomie
Die Transformation zur Wissensgesellschaft – oder warum wir eine politische Revolution brauchen.
Vor etwa 10.000 Jahren sind die Menschen von ihrem Dasein als Jäger und Sammler zur Agrargesellschaft gewechselt. War der knappe Faktor früher die Nahrung, war sie anschließend dann das Land. Mit dem Umbruch hin zur Industriegesellschaft wurde das Kapital zum knappen Faktor. Ausschlaggebend dafür waren verschiedene Entwicklungen, unter anderem die Erfindung und Verbesserung der Dampfmaschine.
Der Übergang von Agrar- zu Industriezeitalter war sehr schmerzhaft. Nach einer Reihe von Revolutionen musste es erst zwei Weltkriege geben, die noch immer vornehmlich unter der Perspektive des Lebensraums geführt wurden. Erst danach war die westliche Gesellschaft endgültig im Industeriezeitalter angekommen. Die Marktwirtschaft mit dem knappen Faktor “Kapital” hat lange Zeit ihre Berechtigung gehabt und sehr gut funktioniert. Innovationen und neue Technologien haben sich stark entwickelt.
Der Übergang zur Wissensgesellschaft
Aktuell stehen wir an der Schwelle zum Zeitalter der Wissensgesellschaft. Wirtschaft bedeutet heute Wettkampf um Informationen und Aufmerksamkeit. Die Zeichen sind deutlich, Google und Facebook gehören zu den wertvollsten Unternehmen – Ihr Geschäft basiert auf kumulierter Information. Der Marktwert von Facebook steigt mit zunehmender Aufmerksamkeit, die theoretische Basis dahinter ist der Netzeffekt oder die Anzahl der Nutzer. Werbung ist nichts anderes als der Verkauf von Aufmerksamkeit.
Die fulminante Neuerung im Informationszeitalter sind die Kosten der Informationen und ihre Verfügbarkeit. Die Infrastruktur einer digitalen Welt steht bereits zur Verfügung und die Kosten für eine zusätzliche Kopie eines digitalen Produktes liegen bei nahezu Null. Der Wirtschaftswissenschaftler würde sagen, die Grenzkosten betragen Null.
Die andere Revolution ist, dass Informationen immer und überall zur Verfügung stehen.
Die großen Probleme der heutige Zeit lassen sich nicht mehr durch kapitalistische Marktwirtschaft lösen. Das System scheitert daran, dass diese Probleme nicht mit einem Preis beziffert werden können. Dazu gehören beispielsweise der Klimawandel oder gar ein funktionierendes Ökosystem. Was ist der Preis einer gesunden Biosphäre und wer zahlt ihn?
Subvention der Erhaltung des Industriezeitalters
Politik arbeitet mit hohem Kapitaleinsatz daran, das Industriezeitalter zu retten – anstatt den Übergang in die Wissensgesellschaft geregelt einzuleiten und Wissen sowie Aufmerksamkeit zu zentrieren.
Wir brauchen einen neuen sozialen Kontrakt, der uns auf die Wissensgesellschaft vorbereitet. Das bedingungslose Grundeinkommen gehört unbedingt dazu. Die Freiheit von ökonomischen Zwängen wird die Menschen in die Lage versetzen, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die ihnen wirklich wichtig sind. Kern dieser Umstellung muss aber auch eine neue Form von humanistischer Bildung sein, die den Menschen die Werkzeuge an die Hand gibt, um in der Wissensgesellschaft zu bestehen.
Die Freiheiten der Wissensgesellschaft
Kern der Wissensgesellschaft wird die Verteilung von Wissen und der knappe Faktor Aufmerksamkeit sein. Mit zunehmender Entwicklung von Künstlicher Intelligenz werden nahezu sämtliche industrielle Tätigkeiten automatisiert und an Maschinen übergeben. Dieser Übergang ist so zu steuern, dass die Menschen davon profitieren und ihnen kein Verlust droht.
Folgende Freiheiten sind Voraussetzung dafür:
Ökonomische Freiheit (economic freedom)
Um extreme Verwerfungen zu verhindern, wie sie während des Übergangs in das Industriezeitalter auftraten, besteht die dringende Notwendigkeit, Menschen unabhängig von Arbeit zu machen. Arbeit darf nicht länger Voraussetzung sein, um ein menschenwürdiges Auskommen zu bestreiten. Die Lösung hierfür ist ein bedingungsloses Grundeinkommen, ggf. weltweit auf Basis eines Crypto-System (Universal Basic Income – Circles)
Informationsfreiheit (informational freedom)
Wer hat Zugang, wem gehören die Informationen, wem gehört das Wissen? Teilhabe an der Wissensgesellschaft bedeutet auch, dass der Zugang zu Informationen nicht künstlich verknappt werden darf. Vielmehr sollen Informationen soweit wie irgend möglich öffentlich zur Verfügung stehen und der Zugriff nicht restriktiert sein. Andernfalls entstehen hier Barrieren, die eine volle Entfaltung der Möglichkeit der Informationsgesellschaft verzögern oder gar verhindern.
Psychologische Freiheit (Psychological freedom)
“Wir alle starten als Künstler in das Leben – die Kunst ist nur, ein Künstler zu bleiben.” So hat Picasso das ausgedrückt, was wir hier als “Psychologische Freiheit” bezeichnen. Das Ziel muss sein, systematisch Bildung, Kreativität und Neugier zu fördern.
Heute wird Neugier in Schulen eher unterdrückt, solange sie nicht ins Konzept passt. Eine Klasse individuell neugieriger Kinder mit eigenen Interessen könnte kein Lehrer im aktuellen System handhaben. Nur eine fundamentale Bildungsreform mit ganz anderen Instrumenten und Methoden kann hier zum Erfolg führen. Leider hat sich Schule in den vergangenen 100 Jahren nicht maßgeblich verändert. Sicherlich – in manchen Klassenräumen hängt heute ein Whiteboard, an dem ein Lehrer gelegentlich Filme oder Animationen zeigt. Abgesehen von wenigen experimentellen Schulformen herrscht aber im wesentlichen Frontalunterricht vor. Das muss möglichst schnell geändert werden. Projektbezogenes Lernen, in dem jeder Mensch seine Interessen und Kreativität ausleben kann, sind gefordert!
Das Mißverständnis um das Grundeinkommen
Auf ein gerne vorgebrachtes Argument gegen das Grundeinkommen möchte ich hier eingehen. Kritiker führen gerne an, das Grundeinkommen unterdrücke die persönliche Anstrengung der Menschen und begünstige Faulheit. Doch alle Erfahrungen deuten in die andere Richtung: Grundeinkommen sorgt nicht für Faulheit, sondern incentiviert eigene, sinnerfüllte Tätigkeiten. Deutschland ist gar nicht weit entfernt von einem Grundeinkommen, denn es gibt Hartz IV. Doch selbst Hart IV ist nicht bedingungslos: Die Menschen müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, um die Unterstützung zu bekommen und das Niveau stabil zu halten.
Problematisch ist, dass wir auf Grund der ökonomischen Zwänge des Einzelnen unsere Aufmerksamkeit heute auf falsche, unwichtige oder schädliche Dinge richten. Das betrifft jeden Einzelnen als Individuum und uns alle als Gesellschaft.
Bildung im Informationszeitalter
Bildung muss auf Kreativität abzielen. Alle sich wiederholenden Tätigkeiten können von Maschinen erledigt werden. Menschen erfinden Dinge oder interagieren mit anderen Menschen, bilden andere Menschen aus.
Monopole der Information
Wenige Firmen monopolisieren aktuell die Nutzerbasis und somit die Information. Allen voran häufen Google und Facebook eine gigantische Basis an Daten an. Ein kurzfristiges Ziel muss es sein, diese Informationen wieder nutzbar zu machen. Eine Schnittstelle (API) wird es den Nutzer ermöglichen, beliebige Dienste an ihre Daten anzudocken. So wird eine zusätzliche Schicht im Systemmodell ermöglicht, das heute auf Ebene der Anwendung endet. Ein ganz neuer Wirtschaftszweig wird entstehen, mit ungeahnten Wachstumsmöglichkeiten.
Bei quasi monopolistischen Applikationen wird ein Zwang zur offenen API das Monopol aushebeln und den Datenschatz wieder in die Hände derer legen, denen die Daten gehören: Der jeweiligen Nutzer. Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich dann für Finanzprodukte, Anwendungen aus dem Gesundheitsbereich, aber auch Medien und SocialMedia. Mit API-Zugang zu allen Daten werden ganz neue Anwendungen entstehen, die Daten aus ganz verschiedenen Bereichen nutzen um anwenderzentrierte Innovationen anzubieten.
Blockchain und Krypto
Die Blockchain ist heute in aller Munde – aber warum eigentlich? Sie ist ein zentraler Baustein der kommenden gesellschaftlichen Umwälzungen, denn sie bietet die Möglichkeit, eine konsistente Datenbank aufzubauen – ohne, dass diese Datenbank einer speziellen Firma gehört. Konsistente Informationen werden zu fälschungssicherem Allgemeingut, alle Transaktionen und Veränderungen lassen sich jederzeit nachvollziehen. Eine Revolution, die zur Grundlage der Revolution wird!
Europa am Scheideweg
Europa macht in der aktuellen Situation verschiedene Fehler, die sich in naher Zukunft noch bitter rächen werden. Beispiel Datenschutz Grundverordnung (DSGVO): Den Richtlinien der DSGVO zu entsprechen, ist schlichtweg sehr teuer. Langfristig wird sie daher als Markteintrittsbarriere wirken und große, kapitalstarke Firmen unterstützen. Anstatt also daran zu arbeiten, mächtige Informationsmonopole zu brechen, begünstigt die Europäische Union ihre Verfestigung – indem sie massive Rechtsunsicherheit für kleine Firmen und ambitionierte StartUps schafft. Die Subventionen für Landwirtschaft sprechen überdies dafür, dass Europa von der Entwicklung schlichtweg abgehängt wurde. Daher: Es geht nicht gegen Europa – es geht für ein Europa, dass sich dem Informationszeitalter stellt!
Literatur & Podcast
Die hier formulierten Thesen basieren auf den Arbeiten von Albert Wenger. Bei Interesse an den Thesen empfehle ich den OMR-Podcast zum Thema sowie den Blog continuations.com.