Postkapitalismus, Geld und Blockchain

In unserem Wirtschaftssystem spielt Geld eine ganz zentrale Rolle. Doch was ist das Wesen des Geldes? Dazu gibt es im wesentlichen zwei Auffassungen, die sich jedoch in Teilen widersprechen.

Hinweis: Die Informationen aus diesem Beitrag stammen im wesentlichen aus dem Podcast Omega Tau 208 – Vollgeld, Inflation und Kryptowährungen mit Gast Thomas Mayer, seines Zeichens ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

http://omegataupodcast.net/

Geld ist einerseits ein Maß für Schuldbeziehungen, das seinen Ursprung in Geben und Nehmen traditioneller Gemeinschaften hat. Bei zunehmender Komplexität einer Gesellschaft werden diese Beziehungen per Schuldbuch und Geld formalisiert. Diese Beziehungen werden  in der Regel staatlich organisiert – ein gesetzliches Zahlungsmittel entsteht.

Die zweite Auffassung wurde durch Adam Smith geprägt: Geld als Mittel zum Tausch. Nach Adam Smith profitiert eine Gesellschaft von der Spezialisierung des Einzelnen, um die Produktivität maßgeblich zu erhöhen –  Geld dient als neutrales Medium zum Tausch der ganz verschiedenen Güter. Damit geht auch einher, dass Geld als Recheneinheit dient mit dessen Hilfe sich Verkaufspreise vergleichen lassen.

Des Weiteren kann Geld auch als Wertaufbewahrungsmittel – Kaufkraft lässt sich lso mit Hilfe von Geld für später kompenieren.

Bis heute dominiert in den Betrachtungen der Wirtschaftswissenschaftler die zweite Auffassung, während die Bedeutung des Geldes als Maßstab für Schuldbeziehungen erst langsam in das Bewusstsein vordringt. Diese Betrachtungsweise stellt uns vor ein fundamentales Problem, denn: Schuldbeziehungen sind in ökonomischen Modellen NICHT abgebildet. Daher kann leider keine Vorhersehbarkeit der Konsequenz von Kreditbeziehungen in volkswirtschaftlichen Modellen gewährleistet werden. Auf diese Weise wurde auch die Finanzkrise nicht vorhergesehen, die auf Schuldbeziehungen und “schlechten Krediten” fusste.

Geldschöpfung

Um die Tragweite von Schuldbeziehungen innerhalb von Geldystemen näher zu erläutern, gehe ich nun auf die Entstehung von Geld ein:

Nahezu in allen modernen Volkswirtschaften ist die Geldversorgung über eine Zusammenarbeit zwischen Zentralbank und dem privaten Bankensektor organisiert. Die Zentralank funktioniert dabei als Garant für Stabilität, die eine Werterhaltung der Währung garantiert.

Geld entsteht durch Kreditvergabe der Banken, ein eingeräumter Kredit führt dabei zur Gutschrift auf ein Konto. Als Bremse für diese Form der Giralgeld-Schöpfung führt die Politik Regularien ein. Für jede Kreditvergabe muss die Bank eine Quote an Eigenkapital aufweisen. Diese Quote liegt aktuell bei 8%. Für jeden Euro an Einlagen bzw. Eigenkapital kann die Geschäftsbank also 12,50 € Kredit vergeben. Die Einlagen lassen sich daher potenzieren – neues Geld wird durch Kreditvergabe geschöpft.

Als zweites Kriterium gilt die Mindestreserve der jeweiligen Bank – dieser Bargeldbestand kann allerdings auch durch Leihen von Zentralbankgeld (gegen Hinterlegung einer Sicherheit – z.B. des Kreditvertrags) eingehalten werden, so dass diese Bremse in Zeiten niedriger Zentralbankzinsen nahezu ausgehebelt ist. Giralgeld ist somit im Wesentlichen Schuldgeld – nämlich das Versprechen, das Guthaben im Bedarfsfall als Bargeld an den Kontoinhaber auszuzahlen.

Ziel der Zentralbank ist, ein Inflationsziel zu erreichen. Durch technischen Fortschritt sinkt Inflation – Güter werden günstiger und ein gewisser Deflationsdruck (Deflation: Das Geld gewinnt an Wert) entsteht. Die Zentralbank sieht sich genötigt, ihre Zinsen so niedrig wie möglich anzusetzen. Dadurch sind  bereits in der 90ern die Quantitäten in den Schuldbeziehungen enorm angestiegen.

Viele dieser Schuldbeziehungen sind in der Folge bei geringster Zinserhöhung dann sofort kollabiert. Geld und Schuldbeziehungen können getrost als Öl des fiskalen Motors verstanden werden.

Dabei gilt durch das Zusammenspiel von privaten Banken und der Zentralbank eine öffentlich-private Partnerschaft der Geldproduktion.

Der Theorie nach geschieht die Steuerung der Kreditnachfrage über den Zinssatz der Zentralbank. Wenn dieser jedoch ein Minimum von mehr oder weniger 0% erreicht hat, sind die Instrumente der Zentralbank im Wesentlichen erschöpft – die Zentralbank kann nurmehr direkt in den Markt eingreifen und Anleihen oder Aktien aufkaufen. Das können wir heute vermehrt beobachten und zeugt davon, dass die Steuerung der Kreditnachfrage über Zinsen bereits ausgeschöpft ist.

Bei Nullzinsen gehen der Zentralbank die fiskalen Instrumente aus

Warum funktioniert die Stimulierung der Inflation durch niedrige Zinsen nicht mehr?

Die Antwort lautet: Nullzinsen sind ein Instrument, das nur funktioniert, wenn Kredite gefragt sind und die Banken ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet sind. Ohne ausreichendes Eigenkapital können Banken trotz Nachfrage keine Kredite einräumen. Wenn es denn eine Nachfrage gibt. Um die Effekte des technischen Fortschritts zu kompensieren, sollte die Giralgeldmenge dabei schneller wachsen, als die Deflation durch preiswertere Produkte – das Geldsystem gerät unter Deflations-Druck, wenn dies nicht gelingt. Trotz niedriger Eigenkapitalbestände der Banken werden zusätzliche Kredite generiert, was zu Überschuldung führt. Diese Form der Überschuldung tritt in unserem aktuellen Geldsystem in regelmäßigen Abständen auf und wurde zuletzt in der Finanzkrise und dem Zusammenbruch amerikanischer Großbanken offenbar. Robustheit im finanzpolitischen Sinne ergibt sich stets durch geringe Verschuldung und hohe Liquidität.

Gibt es Alternativen zu unserem aktuellen Geldsystem, dass auf Schuld basiert und somit als Passivgeld bezeichnet werden kann? Ja, diese alternativen Konzepte gibt es. Im Kern wird dabei der Mechanismus der Geldschöpfung von den Banken gelöst und in öffentliche oder private Hand gegeben. Eine Entkopplung von Geldmengenwachstum und Verschuldung führt zu Geldmenge durch Vermögen – Aktivgeld.

Als Aktivgeld-Konzepte sind insbes. zu nennen

  1. Vollgeld
    Hier erfolgt keine Geldschaffung über Schulden, sondern das Wachstum der Geldmenge liegt allein in der Kontrolle der Zentralbank. Es kann dann individuell oder über die staatlichen Ausgaben in den Verkehr gebracht werden. Die Geldschöpfung soll dabei idealerweise proportional zum Wirtschaftswachstum erfolgen – dies wird als die k%-Regel bezeichnet. Die Zentralbank verwaltet in gewisser Weise eine virtuelle Goldmine. Das neu geschaffene Geld geht je nach politischem Willen an den Bürger, an wirtschaftliche Akteure oder an den Staat. Im Jahr 2018 hat die Schweiz über die Einführung eines Vollgeld-Systems abgestimmt – 74% der Wähler sprach sich gegen die Einführung aus.
  2. Privatisierung der Geldproduktion
    Das Geldmengenwachstum wird nicht durch Banken oder öffentliche Institutionen gesteuert, sondern liegt in privater Hand. Dieses Konstrukt ist im Grunde eine Rückkehr zu den Anfängen aller Geldsysteme, als in Europa wenige große Bankhäuser in Italien, Spanien und Holland zentrale Akteure des europäischen Geldsystems waren. Die Folge war indes, dass sich eine inhärente Abhängigkeit des gesamten Systems von wenigen privaten Bankhäusern etablierte. Aus offensichtlichen Gründen ist dies nicht wünschenswert, vielmehr sollte diese Abhängigkeit über eine dezentrale Organisation ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit ist uns derzeit durch die Blockchain-Technologie gegeben.
    Kryptowährungen sind dabei als ein Nachfolger von Gold und Silber zu verstehen. Denn auch zu Zeiten des Goldstandards erhöhte sich die Geldmenge durch den Abbau von Gold, ohne dass einer der Akteure sich verschulden musste. Der Effekt ist ein privates Vollgeldsystem, das traditionelle Währungen jedoch nicht ersetzt sondern vielmehr um eine weitere Säule ergänzt. Durch Privates Vollgeld würden alle Intermediäre (Banken, Zentralbanken) entfallen – jegliche Transaktionskosten entfallen somit. Die Glaubwürdigkeit dieser Alternativen kann zudem durch renommierte Institutionen getragen werden. Einem Facebook-Coin, Google-Coin oder einem Bundesbank-Coin wäre technologisches und inhaltliches Renommee zuzutrauen.

Was ist eine Kryptowährung?

Der ominöse Erfinder des Bitcoins Nakamoto hat ein revolutionäres Geldsystem erfunden, das dezentral organisiert ist und eine Alternative zum Kreditgeld darstellt.

Eine Kryptowährung basiert auf drei Komponenten:

  • Ein Protokoll dient als Regelwerk und gibt Aufschluss darüber, wie die Teilnehmer Transaktionen abwickeln können.
  • Die Transaktionshistorie der gesamten Krypto-Geldmenge wird in einem Buch ausgewiesen, dem sogenannten Ledger. Dies ist notwendig, da sich digitale Daten sehr einfach duplizieren und vervielfältigen lassen. Daher ist eine Buchhaltung notwendig, um die Gültigkeit der einzelnen Chargen zu bestätigen. Diese Buchhaltung darf kein Monopol in privater Hand sein. Bei Bitcoin ist sie dezentral (Distributed Ledger) über alle privaten Teilnehmer organisiert.
  • Die Aktualisierung des Ledgers erfolgt über die Regeln des Protokolls.

Ganz offenbar ist der Ledger und seine im Protokoll festgelegten Regularien – die Aufzeichnung der gesamten Transaktionshistorie – der zentrale Bestandteil einer Krypto-Währung. Die Verwaltung des Ledgers lässt sich auf drei mögliche Arten organisieren:

  • Zentrale Ledgerverwaltung
    Eine einzige Kopie des Ledgers wird zentral verwaltet, jede Partei stimmt ihre lokale Datenbank auf die zentrale Datenbank ab, die von zentraler Stelle verwaltet und aktualisiert wird.
  • Distributed Ledger mit Berechtigung
    Die einzelnen Parteien benötigen zentral organisierte Schreib- und Leseberechtigungen, um an der dezentralen Transaktionshistorie mitwirken zu können. Beispiel: Identitätskontrolle
  • Distributed Ledger ohne Berechtigung
    Jeder Teilnehmer hält stets die gesamte Transaktionshistorie vor. Jede Änderung in der Historie wird an alle aktiven Teilnehmer kommuniziert und wird über einen Konsens-Algorithmus abgestimmt. Nach erfolgreicher Validierung wird der neue, konsistente Datenstamm von allen Teilnehmern übernommen.

Die Blockchain-Technologie hat aktuell einen eher zweifelhaften Ruf. Dabei wurde die Technologie selbst noch nie gehackt – alle Krypto-Diebstähle trafen immer die Börsen und Handelsplätze der einzelnen Währungen.

Gedanken zu Aktivgeld

Inflation wird im Kreditgeldsystem benötigt, um die realen Schuldbeziehungen zu entwerten. Bei Deflation wäre die Rückzahlung von Schulden potenziell nicht möglich, da die Schuld immer weiter anwachsen würde. Im Vollgeldsystem hingegen ist leichte Deflation in Ordnung, da das System nicht auf Schulden und Krediten basiert.

Passivgeld (aus Schulden) ist inhärent ungerecht, da Zugang zu Kredit Aufbau von Vermögen begünstigt. Inflation hingegen bekommen alle ab – Einkommen aus Arbeit wird daher ebenfalls geschmälert.

Wie kann die praktische Umsetzung aussehen? Das staatliche Monopol auf Zahlungsmittel wäre abzuschaffen, privates Vollgeld gleichzeitig zuzulassen. Somit würden viele Experimente entstehen.

Eine Kombination aus öffentlichem und privatem Geld könnte der Gewinner sein. Diese Konstruktion wäre nicht gegen den Euro bzw. Staatlich kontrollierte Währungen gerichtet, aber: Warum muss der Euro alleiniges Zahlungsmittel sein? Nationale Kryptowährungen könnten den Einzelstaaten im Euroraum Kontrolle über ihr regionales Geldsystem zurückgeben.

Politik heute heißt zu einem Großteil Krisenmanagement. Anstatt eine robuste Organisation ohne staatliche Eingriffe zu schaffen, leben wir in fragilen Systemen, die laufend Rettung durch den Staat benötigen. Bestes Beispiel: Der Euro.

Schuldbeziehungen sind immer fragil und verfügen über keine Knautschzonen. Entweder Schulden werden bedient oder nicht. Eigenkapital im Sinne von Vermögen oder Guthaben hingegen ist nicht fragil, sondern stellt einen Puffer im Geldsystem dar.

Der Euro kettet verschiedene Makro-Systeme starr aneinander – Inkompatibilität zwischen den  verschiedenen Einheiten wird dabei nicht berücksichtigt.

Links & Literatur

Für diesen Artikel wurden verschiedene Artikel und Podcasts als Grundlage genommen:

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