Fachkräftemangel in der Zukunft – ein Gerücht?
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Fachkräftemangels. So kommentiert das Handelsblatt in einem eindringlichen Appell, Wirtschaft und Statt müssten eng zusammenarbeiten, um dem Fachkräftemangel Herr zu werden. Werden fehlende Fachkräfte tatsächlich zum Problem? Was ist eigentlich ein Mangel an Fachkräften?
Nachfrage und Angebot – die Zukunft der Arbeit
Simpler ökonomischer Sachverstand sagt uns folgendes: Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, müssen die Preise steigen. Dies gilt für den Arbeitsmarkt ebenso, wie für alle anderen Märkte. Zunächst einmal müssen also die Löhne der Branchen steigen, in denen Fachkräftemangel herrscht, in denen also zu wenig Menschen bereit sind, für den angebotenen Lohn zu arbeiten. Aktuell ist dieser Mangel in sozialen Berufen wie der Pflege und der Erziehung besonders groß – eben weil hier besonders schlecht gezahlt wird. Fachkräftemangel bedeutet also zunächst einmal nur, dass der Lohn für die Fachkräfte zu gering ist.
Der Arbeitsmarkt verfügt zudem über eine große “stille Reserve”. Das sind mitunter hoch qualifizierte Frauen, ältere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund, die heute aus verschiedenen Gründen keiner bezahlten Arbeit nachgehen. Diese Reserve wird durch höhere Löhne ebenfalls aktiviert, denn die Opportunitätskosten – also der wirtschaftliche Verlust bei Nicht-Arbeit – steigen.
Steigende Löhne indes werden die Unternehmer und ihre Firmen zum Umdenken zwingen. Technologische Lösungen, die in der Regel einer hohe anfängliche Investition bedürfen, die sich dann aber rasch amortisiert, werden attraktiver. In vielen Fällen wird der Unternehmer also vor der Wahl stehen, seine Löhne zu erhöhen oder in Technologie zu investieren.
Die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit
Aber führen steigende Löhne nicht dazu, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr Wettbewerbsfähig ist? Natürlich nicht. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt nicht mit der absoluten Höhe der Arbeitskosten zusammen, sondern mit der Produktivität der Arbeit. Nicht Quantität sondern Qualität entscheiden hier! Und eben diese steigt durch Automatisierung und Digitalisierung derzeit rasch an. Die Voraussetzungen für die Vermeidung eines zukünftigen Fachkräftemangels sind also eindeutig gegeben. Wer sich um die Zukunft sorgt und dafür plädiert, der Fachkräftemangel sei nur über den Zuzug von ausländischen Fachkräften zu vermeiden, der verkennt einerseits simple wirtschaftliche Zusammenhänge und fürchtet geradezu eine Erhöhung der Löhne (und Gehälter) – obwohl diese für Arbeitnehmer und Sozialversicherungen äußerst positiv wären.
Arbeit und Bildung in der Zukunft
Die nachhaltige Steigerung der Qualität der Arbeit kann allerdings nur gelingen, wenn frühzeitig die Weichen dafür gestellt werden – primär über ein besserer Bildungssystem sowie Anreize für die Menschen, sich ständig weiterzubilden und offen zu bleiben für neue Technologien. Der gut ausgebildete Mensch wird zusammenarbeiten mit technologisch ausgefeilten Maschinen, die ihm erst eine entsprechende Produktivität ermöglichen.
Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts wird somit die Menschen mündig machen, denn die Spezialisierung der Arbeitnehmer ist ein hohes gut, dass es nach Möglichkeit zu bewahren gilt. Unternehmen werden in viel höherem Maße um Arbeitnehmer werben müssen und viel mehr tun, um sie an ihr Unternehmen zu binden. Fachkräftemangel erweist sich dann als reiner Führungsmangel.
In der neuen Arbeitswelt heiß es nicht mehr Mensch gegen Maschine sondern Mensch MIT Maschine. Die gesteigerte Produktivität und Automatisierung wird zur Folge haben, dass Menschen weniger auf Grund reiner wirtschaftlicher Notwendigkeit einer Arbeit nachgehen.
Die Grundgedanken aus diesem Artikel sind angelehnt an Thomas Straubhaar, Die Stunde der Optimisten, S. 86 ff.